Was bedeutet die InkassoRechtsReform, die am 01.10.2021 in Kraft tritt?

1. Oktober 2021

Der Bundestag und Bundesrat hat im Dezember 2020 die InkassoRechtsReform beschlossen und verkündet. Ein Teil der neuen Regelungen und Änderungen sind bereits am 01.01.2021 in Kraft getreten. Ein Großteil der Änderungen trat jetzt am 01.10.2021 in Kraft.

 

Was soll durch diese Reform erreicht werden?

  • Schutz der Verbraucher vor zu hohen, falschen, oder/und doppelten Inkassogebühren
  • Schutz vor falschen Inkassoforderungen
  • Schutz vor unseriösen Inkassounternehmen
  • Schutz vor einem möglichen Identitätsdiebstahl.

 

Was war die Ausgangslage?

  • Ungefähr 80% aller bundesweiten Inkassoforderungen werden von den 5-6 großen Inkassounternehmen bearbeitet. Die restlichen 20% der bundesweiten Inkassoforderungen werden von ca. 1.200 Rechtsanwälten und kleineren Inkassounternehmen bearbeitet.
  • Unseriöse Geschäftspraktiken, überhöhte, doppelte Gebühren, falsche Inkassoforderungen wurden in der Regel nicht bei den 1.200 Anwälten und kleineren Inkassounternehmen gefunden. ABER es entstand der Eindruck, dass die gesamte Branche unseriös arbeitet und sich nicht an die bestehenden Regeln und Gesetze hält.
  • Wenn Schuldner bei Inkassounternehmen Einwände gegen Forderungen erhoben, wurde diese oftmals entweder nicht oder nur mit Standardschreiben beantwortet.
  • Eine Sanktionierung von Unternehmen, die falsch, unseriös und gegen bestehende Regeln und Gesetze handeln war nicht vorgesehen bzw. nicht im Gesetz festgelegt.

 

Was ändert sich ab dem 01.10.2021?

  • Anwälte und Inkassounternehmen müssen noch genauer über den Auftraggeber bzw. den Gläubiger der Forderung Auskunft geben und zwar mit dem 1. Mahnschreiben. Bisher musste der Gläubiger namentlich genau benannt werden, während mit der neuen Regelung nun auch die vollständige postalische Adresse angegeben werden muss.
  • Die Angabe, wann ein Vertrag abgeschlossen wurde ist neu, aber die Punkte auf welchem Weg es zu einem Vertragsabschluss kam, wann welcher Betrag in Rechnung gestellt wurde mit welcher Zahlungsfrist und wann der Betrag dann angemahnt wurde, musste bereits vorher erfolgen. Damit soll jeder Schuldner in die Lage versetzt werden, zu erkennen, ob die aktuelle Forderung gegen ihn zurecht besteht.
  • Ein Schuldner muss jetzt schriftlich informiert werden, sofern der Anwalt oder das Inkassounternehmen seine Adresse ermittelt haben, diese also so nicht von dem Gläubiger übermittelt wurde. Das soll vor einem möglichen Identitätsdiebstahl schützen.
  • Ein Schuldner muss über weitere/zusätzliche Gebühren z.B. bei einer Ratenzahlungsvereinbarung vorher und in Schriftform informiert werden. Ebenso muss er in Schriftform auf mögliche Konsequenzen bei einem Schuldanerkenntnis aufmerksam gemacht werden.
  • Die Anwalts-/Inkassogebühren für das 1. Mahnschreiben werden abgesenkt, da davon ausgegangen wird, dass über 80% aller Inkassoforderungen vollständig und ohne Nachfragen spätestens nach dem 1. Mahnschreiben bezahlt werden.
    Das heißt aber auch im Umkehrschluss, dass sich die Anwalts-/Inkassogebühren erhöhen, sofern ein Schuldner nicht kommentarlos vollständig innerhalb von 2 Wochen auf die 1. Mahnung bezahlt. Die Gebühren sind also gestaffelt und erhöhen sich immer weiter.
  • Es wurde eine weitere Gebührenstufe für Kleinstforderungen bis EUR 50,00 eingeführt. Hierdurch soll der Schuldner zusätzlich finanziell entlastet werden, weil die Anwalts-/Inkassogebühren hierdurch zusätzlich bei Kleinstforderung niedriger ausfallen als bisher.
  • Inkassounternehmen erhalten jetzt die gleichen Gebühren für den Mahnbescheid und den Vollstreckungsbescheid wie Anwälte.

 

Werden mit dieser InkassoRechtsReform die Ziele erreicht?

  • Unsere Mandanten erinnern und mahnen in der Regel ihre Kunden zwischen 2 und 5 Mal und nutzen zusätzlich zum Postweg auch die digitalen Wege. Wir haben bislang nicht die Erfahrung gemacht, dass Schuldner nicht wussten, dass und warum sie ein Mahnschreiben von uns erhalten. Da wir immer schon neben dem Namen unseres Auftraggebers auch die vollständige Adresse mitgeteilt haben, werden wir hier nichts ändern müssen.
  • In einigen Fällen werden wir zukünftig das Datum des Vertragsabschlusses bei unseren Mandanten erfragen müssen. Wenn das zur weiteren Aufklärung beiträgt und Klarheit beim Schuldner schafft, unterstützen wir diese neue Regelung gerne.
  • Der Hinweis, dass wir eine neue Anschrift eines Schuldners ermittelt haben und ob wir diese vom Einwohnermeldeamt oder unserem Datendienstleister erhalten haben, haben wir bereits in unseren Schreiben hinzuzufügen. Da uns in unserer täglichen Arbeit das Thema Identitätsdiebstahl bislang nicht getroffen hat, ist uns das Ausmaß dieser Thematik nicht bekannt. Ob das bei der Aufklärung solcher Vorgänge hilft, bleibt abzuwarten und sollte dort wo es auftritt beobachtet werden.
  • Der Hinweis (vorab und in Schriftform), dass durch eine Ratenzahlungsvereinbarung weitere Gebühren entstehen, schafft Transparenz. Wir fügen hierzu einen mehrzeiligen Absatz in unsere Schreiben ein.
  • Die Einführung einer neuen Gebührenstufe für Kleinstforderungen erscheint aus Sicht der Schuldner sinnvoll. Sicherlich darf man sich fragen, warum Rechnungsbeträge bis EUR 50,00 nicht vorher einfach bezahlt werden und diese dann auch nach 2 oder mehr Mahnungen durch einen Anwalt/ein Inkassounternehmen bearbeitet werden, bevor eine Zahlung erfolgt.
    Ja – durch die Einführung einer Gebührenstufe für Kleinstforderung und damit eine deutliche Absenkung der Anwalts-/Inkassogebühr, findet sicherlich eine finanzielle Entlastung der Schuldner statt.
    Der Aufwand 2 bis 5 Mahnungen zu schreiben, die rechtliche Prüfung für ein Anwalts- oder Inkassomandat, aller Unterlagen, die Aktenanlage, die Forderungsberechnung bedeutet allerdings den gleichen Aufwand – egal welche Zahlen/Beträge geltend gemacht werden.
  • Ob ein Schuldner tatsächlich nach dem 1. Mahnschreiben innerhalb vom 2 Wochen ohne Nachfragen oder Einwände einfach vollständig bezahlt, weil er dann weniger bezahlen muss, wird sicherlich genau beobachtet werden.
    Ob es aber sinnvoll ist, durch die jetzigen Regelungen eine Staffel zu machen, bei der sich die Gebühren immer weiter erhöhen, kann auch als unseriös wahrgenommen werden. Ein Schuldner der sich meldet und nachfragt, ist bei uns stets willkommen, da wir dann eine gute Möglichkeit haben, das Problem zu verstehen und eine gemeinsame Lösung zu erarbeiten. Nach der InkassoRechtsReform wir der Schuldner dann aber durch eine Gebührenerhöhung „bestraft“, weil er nicht einfach bezahlt.
  • Wird eine Forderung dann schließlich mittels Mahn- und Vollstreckungsbescheid tituliert, werden ab 01.10.2021 die bisherigen Gebühren der Rechtsanwälte auch von den Inkassodienstleistern in Rechnung gestellt. Das klingt im 1. Schritt vielleicht nach einer Anpassung, da hierbei Anwälte und Inkassodienstleister für die gleichen Tätigkeiten (endlich) auch die gleichen Gebühren erhalten.
    Das Argument, dass es sinnvoll ist eine Forderung durch einen Inkassodienstleister zu bearbeiten, weil dieser geringere Gebühren gegenüber dem Schuldner berechnen darf, fällt hier weg – der Schuldner wird also finanziell nicht entlastet.
    Weiterhin hatten wir Inkassodienstleister bisher ein gutes Argument, eine Ratenzahlungsvereinbarung nach der Zustellung des Mahnbescheides zu treffen: wir haben den Vollstreckungsbescheid trotzdem zur Sicherung der Forderung beantragt, gerade weil hierdurch keine weiteren Gebühren für den Schuldner mehr entstanden sind. Eine Win-Win-Situation für alle Beteiligten.
  • Da auch mit der InkassoRechtsReform wieder keine Sanktionen bei Nichteinhaltung festgelegt worden sind, bleibt abzuwarten, ob die Ziele dieser Reform tatsächlich erreicht.

 

Fazit:

Es werden sich bei den Kleinstforderungen finanzielle Entlastung für die Schuldner herauskristallisieren – sofern sie nach der ersten Aufforderung direkt zahlen.

Ob die weiteren Informations- und Darlegungspflichten tatsächlich zur Verdeutlichung der Forderung und des Gläubiger beitragen, muss sich erst in der Praxis zeigen.

Ob dann überhaupt noch telefonisch mit Schuldnern Kontakt aufgenommen wird, ist fraglich. Oftmals ist der telefonische Kontakt für viele Schuldner einfacher, als wenn sie schriftlich tätig werden müssen.

Wir wünschen uns, dass Menschen und Unternehmen, die Rechnungen und Mahnungen erhalten, schnell prüfen, ob die Rechnung(en) und Mahnung(en) gerechtfertigt sind und sich sofort schriftlich an den Absender wenden, wenn etwas nicht stimmt. Wer hier schon nicht reagiert und im schlechtesten Fall den Kopf in den Sand steckt, muss damit rechnen, dass sich später ein Anwalt oder Inkassodienstleister melden.

Alle unsere Mandanten berichten, dass sie sich gewünscht hatten, der Schuldner hätte sich mal gemeldet. „Von Stundung über kleine Raten – alles wäre möglich gewesen, wenn er sich doch nur gemeldet oder kleine Beträge einfach überwiesen hätte“. Dieser Wunsch ist verständlich und zeigt, dass es nicht um eine möglichst schnelle Übergabe an einen Anwalt oder ein Inkassounternehmen geht, sondern darum eine Lösung zu finden. Das wird diese InkassoRechtsReform auch nicht lösen können.