Kann und darf eigentlich jeder Inkasso machen?

3. Februar 2016

Zu der Frage, welche Qualifikationen und Zulassungen man überhaupt als Inkasso-Dienstleister benötigt, wurde ich von Jörg Hüttmann, Redaktionsleiter von Business-On Schleswig-Holstein interviewt. Jörg Hüttmann kenne ich über das Unternehmernetzwerk M-POINT, daher duzen wir uns:

 

Jörg Hüttmann

Daniela, wir haben uns nach Deinem Vortrag rund ums Forderungsmanagement auf einem kürzlich stattgefundenen Netzwerktreffen darüber unterhalten, dass man als „Otto Normalgläubiger“ oft sehr wenig über die Qualifikationen und notwendigen Zertifizierungen von Inkasso-Dienstleistern weiß. Warum ist das so?

Daniela Schlünzen

Hauptsächlich durch das Bedienen von Klischees und den Eindruck, den die Medien vermitteln, Jörg. In den üblichen Reality-Soaps treten vermeintliche Inkasso-Dienstleister oft als halbseidene Gestalten auf, die von mindestens zwei grobschlächtigen Schlägertypen begleitet werden. Diesen Personen traut man dann auch nicht wirklich zu, jemals weitergehende Zertifizierungen oder Prüfungen abgelegt zu haben.

 

Jörg Hüttmann

Die Realität sieht aber glücklicherweise anders aus?

Daniela Schlünzen

Natürlich! Nichts ist von der Wirklichkeit weiter entfernt als dieser Stereotyp. Ganz besonders im Bereich B2B reden wir hier von integren und seriösen Unternehmen, die sich ohne einen untadeligen Ruf nicht lange im Geschäft halten würden. In den vergangenen Jahren wurden verschiedene Gesetze erlassen und Vorgaben gemacht, die heute zwingend Voraussetzung sind, um als Inkasso-Dienstleister überhaupt eine Zulassung zu bekommen. Darüber hinaus gibt es heute auch Kontrollgremien wie z.B. die Inkasso-Berufsverbände und die jeweiligen Aufsichtsbehörden der Bundesländer.

 

Jörg Hüttmann

Welche Voraussetzungen muss man denn heute erfüllen, welche Prüfungen ablegen, um sich als Inkasso-Unternehmer selbstständig machen zu können?

Daniela Schlünzen

Zuallererst einmal sollte man wissen, dass Inkasso eine genehmigungs- bzw. zulassungspflichtige Rechtsdienstleistung ist. Rechtsdienstleistungen können von Rechtsanwälten erbracht werden, die erfolgreich das zweite Staatsexamen abgelegt haben und von der zuständigen Anwaltskammer zugelassen wurden. Weiterhin dürfen Rechtsdienstleistungen auch von besonders qualifizierten Personen angeboten werden. In Hamburg zum Beispiel erfolgt die Zulassung zentral durch den Amtsgerichtspräsidenten.

 

Jörg Hüttmann

„Besonders qualifiziert“ bedeutet konkret was?

Daniela Schlünzen

Wir Inkasso-Dienstleister müssen erst einmal unsere Qualifikation durch praktische und theoretische Sachkunde nachweisen. Für die Praxis benötigt man mindestens zwei Jahre direkte Berufserfahrung in den Bereichen Forderungsmanagement, Inkasso oder Mahnwesen. Eine reine Tätigkeit als Rechtsanwaltsgehilfin oder Bürokaufmann reicht dafür nicht aus.

 

Jörg Hüttmann

Und welche Gesetzestexte muss man kennen, um die theoretische Sachkunde nachweisen zu können?

Daniela Schlünzen

Einige – also eigentlich alle, aus denen sich Geldforderungen ergeben! Das fängt beim BGB an, geht über das Handels- und Gesellschaftsrecht, Wertpapier-, Wechsel- und Scheckrecht, Zivilverfahrensrecht, Zwangsvollstreckungsrecht, hört beim Insolvenzrecht noch nicht auf, sondern bezieht auch das Datenschutzrecht, Berufsrecht und Inkassovertragsrecht mit ein. Ein 150 Stunden dauernder Sachkundelehrgang vermittelt dieses Wissen und muss von jedem Anwärter absolviert werden. Anschließend wird man von einem praktizierenden Richter am Amtsgericht schriftlich (5 Stunden) und mündlich (1/2-Stunde) geprüft.

 

Jörg Hüttmann

Und dann darf man sich „Inkasso-Dienstleister“ nennen?

Daniela Schlünzen

Noch nicht – das waren gerade einmal die ersten beiden Schritte. Die persönliche Integrität und wirtschaftliche Zuverlässigkeit sind für eine ernsthafte Tätigkeit als Rechtsdienstleister natürlich auch von zentraler Bedeutung. Man darf weder vorbestraft sein noch sich in einem Insolvenzverfahren befinden. Last but not least gehört noch eine Vermögensschadenshaftpflichtversicherung mit ausreichenden Deckungssummen zu den notwendigen Voraussetzungen. Auch über diese Voraussetzungen müssen wir schriftliche Nachweise erbringen.

 

Jörg Hüttmann

Nun steht dem Geschäftserfolg nichts mehr im Wege?

Daniela Schlünzen

Wir reden hier von den Mindestanforderungen. Ohne betriebswirtschaftliches Wissen, viel Erfahrung, Verhandlungsgeschick, profunde Menschenkenntnisse, ein belastbares Netzwerk und eine klar definierte Zielgruppe sinken die Erfolgschancen erheblich. Ich habe mich beispielsweise auf Ärzte, Labore, Hausverwaltungen sowie mittelständische Unternehmen konzentriert, die ein gewisses Mindestvolumen an Rechnungen im Monat haben und großen Wert auf persönlichen Service legen. Gerade zwischen langjährigen Geschäftspartnern sind psychologisches Geschick und wirtschaftliches Verständnis unersetzlich. Oftmals übernehme ich die Rolle eines Vermittlers bzw. Mediators, der eine Lösung für die aktuelle Zahlungsstörung findet und hier Ideen gemeinsam mit beiden Parteien entwickelt. Das sind besondere Herausforderungen und ein erfolgreicher Ansatz, da ich so in sehr vielen Fällen langwierige und teure Gerichtsprozesse vermeiden kann.

 

Jörg Hüttmann

Vielen Dank, Daniela, für diese Einblicke. Die Frage, ob jeder Inkasso kann und darf, können wir also getrost mit einem klaren „Nein“ beantworten.

Daniela Schlünzen

Auf jeden Fall. Es hat mir großen Spaß gemacht, endlich mit diesen Vorurteilen aufräumen zu können.

 

Dieses Interview wird demnächst auch auf dem Wirtschafts-Internetportal Business-On Schleswig-Holstein erscheinen.

Wenn Sie weitergehende Fragen haben, eine erste Einschätzung benötigen oder direkt eine Forderung realisieren lassen möchten, freue ich mich über Ihre E-Mail oder Ihren Anruf: 0 40/41 35 71 30